Impuls vom 23.12.2019
Wachende Menschen
Die Hirten: Was sind das für Menschen? In ihrer Umwelt waren Hirten verachtet, sie galten als unzuverlässig und wurden als Zeugen bei Gericht nicht zugelassen. Aber was waren sie wirklich? Gewiss keine großen Heiligen, wenn man darunter Menschen mit heroischer Tugend versteht. Es waren einfache Seelen. Das Evangelium lässt einen Zug aufscheinen, der dann in den Worten Jesu eine große Rolle spielen wird: Es sind wachende Menschen. Das gilt zunächst in dem äußeren Sinn, dass sie nachts bei ihren Schafen warten. Aber es gilt in einem tieferen Sinn: Sie sind ansprechbar für Gott. Ihr Leben ist nicht in sich selbst geschlossen; ihr Herz steht offen. Irgendwie im Tiefsten warten sie auf ihn. Ihre Wachheit ist Bereitschaft - Bereitschaft zum Hören, Bereitschaft zum Aufbrechen; sie ist Warten auf das Licht, das uns den Weg zeigt. Darum geht es. Gott liebt alle, denn alle sind seine Geschöpfe. Aber manche Menschen haben ihre Seele zugemacht; seine Liebe findet keinen Eingang bei ihnen. Sie meinen, Gott nicht zu brauchen; sie wollen ihn nicht. Andere, die vielleicht auch in moralischer Hinsicht armselig und sündig sind, leiden doch darunter. Sie warten auf Gott. Sie wissen, dass sie seine Güte brauchen, auch wenn sie keine genaue Vorstellung davon haben. In ihre wartende Offenheit kann Gottes Licht hineintreten und mit ihm sein Friede. Gott sucht Menschen, die seinen Frieden weitertragen.
(Benedikt XVI.)