Impuls vom 15.03.2019
150 Jahre Vollendung der Türme des Regensburger Doms
Hirtenbrief des Bischofs von Regensburg zur Österlichen Bußzeit 2019: „1869-2019 – 150 Jahre Vollendung der Türme des Regensburger Doms St. Peter"
Liebe Kinder,
liebe jugendliche und erwachsene
Schwestern und Brüder im Herrn!
1. "Wer sieht sie als erster, die Türme des Domes?" - Mit diesem kleinen Wettbewerb unter den Geschwistern, so erzählte mir vor einiger Zeit eine pastorale Mitarbeiterin, erhöhte sich die gespannte Erwartung im Auto, je näher die Familie bei der Fahrt nach Regensburg ihrem Ziel kam. Ob von Norden oder Süden kommend, ob von Osten oder Westen: Bei gutem Wetter sieht man sie schon aus großer Entfernung am Horizont in den Himmel ragen, die beiden 105 Meter hohen Türme, die neben der Steinernen Brücke das Wahrzeichen der Stadt Regensburg und ihr weithin sichtbarer Mittelpunkt sind.
2. In diesem Jahr feiern wir das 150-jährige Jubiläum der Domturmvollendung: ein bedeutendes baugeschichtliches und vor allem auch geistliches Ereignis für das gesamte Bistum Regensburg. Denn die Türme waren nicht immer so hoch. Man kann es sich kaum mehr vorstellen, auf alten Bildern aber ist es festgehalten: Die längste Zeit seines Bestehens hatte der Regensburger Dom stumpfe Türme, die den Dachfirst des Mittelschiffes nur wenig überragten.
3. Es hatten die Mittel gefehlt, um nach Vollendung des Kirchenschiffes am Ausgang des Mittelalters auch die vorhandenen Pläne für die Türme noch zu verwirklichen. Die Glocken für das Geläut waren im zweiten Geschoss aufgehängt. So konnten die Türme ihren Hauptzweck erfüllen, nämlich den Schall der Glocken über die Dächer zu tragen, um ans Gebet zu erinnern und zum Gottesdienst einzuladen. Erst im 19. Jahrhundert waren der Wille und die Voraussetzungen für die Vollendung der Domtürme gegeben.
Im 18. Jahrhundert war der mittelalterliche Baustil der Gotik wieder neu entdeckt worden. Die Neuordnung der Kirche in Deutschland nach den napoleonischen Kriegen und dem Wiener Kongress führte in Verbindung mit romantischer Mittelalterverehrung etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts an vielen Orten zu einer begeisterten Vollendung gotischer Kirchen. Nicht nur in Regensburg wurden die Türme vollendet, sondern etwa zeitgleich auch in Ulm. In Köln wurde 1842 der Dombauverein gegründet, um den Dom, von dem erst ein kleiner Teil ausgeführt war, samt seinen Türmen zu vollenden.
4. Für Regensburg erwies sich das Zusammenwirken des emeritierten Königs Ludwigs I. und des neuen Bischofs Ignatius von Senestrey als glücklicher Umstand. Während der emeritierte König, der erhebliche Mittel zur Verfügung stellte, auch sich selbst und dem Ideal des deutschen Nationalstaates ein Denkmal setzen wollte, stellte der Bischof einen anderen König in den Vordergrund: Jesus Christus. Die Türme sollten Christus zur Ehre gereichen und der Botschaft des Glaubens sichtbaren Ausdruck verschaffen. Alle Pfarreien des Bistums Regensburg waren mehrfach aufgerufen, durch Spenden beim Bau mitzuhelfen. Der erbetene Peterspfennig hat tatsächlich erheblich zum Baufortschritt beigetragen.
5. In zehnjähriger Bauzeit wurden in einer gewaltigen Kraftanstrengung die beiden Türme hochgezogen. Zum Domkirchweihfest am 30. Juni 1869, also vor 150 Jahren, wurden die beiden Krönungssteine gesegnet und damit der Abschluss der Turmvollendung gefeiert. Somit ist für Regensburg heuer ein Jubiläumsjahr, und das wollen wir feierlich begehen. Darüber hinaus nehmen wir das Jubiläum auch zum Anlass, für unseren Dom und alle unsere Kirchen zu danken und über den Sinn der Kirchtürme nachzudenken.
6. Die Erweiterung der Regensburger Domtürme besteht im Wesentlichen aus zwei Geschossen. Das erste Geschoss, das den schon vorhandenen Türmen jeweils hinzugefügt wurde, verjüngt den Turm zu einem Achteck, zu einem "Oktogon". Die Zahl acht ist die Zahl der Ewigkeit. Sieben plus Eins: Der "achte Tag" ist der Tag der Neuschöpfung, der Tag, der einmal keinen Abend mehr kennen wird, der Tag der Hoffnung auf Herrlichkeit. So zieren dieses Geschoss 22 Heiligenfiguren, die, von unten kaum sichtbar, doch von großer Bedeutung sind, zeigen die Heiligen doch durch ihr Leben nach dem Evangelium den Weg zu Gott und zur himmlischen Herrlichkeit.
Die Bistumspatrone Wolfgang, Emmeram und Erhard sind ebenso vertreten wie Heinrich und Kunigunde, die Stifter des Kollegiatsstiftes von der Alten Kapelle; Antonius der Einsiedler und Theresa von Avila. Bischof Senestrey stiftete persönlich eine Figur seines Namenspatrons, des heiligen Ignatius von Loyola.
Als Lichter, die uns das Licht Christi weiterschenken und den Weg zu einem gottgefälligen Leben weisen, sind sie gleichsam auf den Leuchter des Domes gestellt (vgl. Mt 5,15).
7. Auf diesem Oktogon, dem zum Achteck verjüngten Turmgeschoss, erheben sich die spitzen Turmhelme. Wie zwei Pfeile, wie zwei spitze Zeigefinger weisen sie den Blick in den Himmel, hinein in die Wirklichkeit Gottes. Bekrönt werden die beiden Türme durch jeweils eine in Stein gehauene Kreuzblume. Im Garten der Dombauhütte ist heute eine der beiden verwitterten und mittlerweile ersetzten Kreuzblumen aufgestellt, so dass man sich eine Vorstellung machen kann von ihrer Größe.
Über fünf Meter hoch und fast drei Meter breit, krönen sie die Türme und richten ihre Botschaft aus: Durch sein Kreuz hat uns Christus erlöst. Sein Kreuz ist die Leiter zum Himmel, die Brücke ins ewige Leben. Aus dem Kreuz blüht das neue Leben. Oder, wie es die Lesung des heutigen Zweiten Fastensonntages sagt, worin uns Worte des Apostels Paulus aus dem Brief an die Gemeinde von Philippi als Trost zugerufen werden: "Unsere Heimat ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter" (Phil 3,20f.).
8. Die Türme des Regensburger Domes sind wie die vielen Türme der Kirchen überall in Europa Zeichen der christlichen Prägung des Abendlandes und Ausdruck des Glaubens an die erlösende Kraft des Kreuzes. Der Klang ihrer Glocken gibt dem Tag seine Struktur, macht Festzeiten hörbar und begleitet die einzelnen Lebensstationen von der Wiege bis zur Bahre. Ihre zum Himmel ragende Gestalt gibt den Dörfern und Städten unserer Heimat eine Mitte und verweist zugleich auf die Heimat im Himmel. So kann in der Bibel Gott selbst als Turm benannt werden: "Ein fester Turm ist der Name des HERRN, dorthin eilt der Gerechte und ist geborgen", heißt es im Buch der Sprichwörter (18,10).
9. In Regensburg selbst feiern wir das 150-jährige Jubiläum der Vollendung der Domtürme mit einer Ausstellung des Diözesanmuseums in der Kirche St. Ulrich gleich neben dem Dom. Sie wird am 29. Mai eröffnet und trägt den bewusst mehrdeutigen Titel "Zwei Türme für den König".
In dieser Ausstellung wird unter anderem bislang unbekanntes Bildmaterial zum Bau der Türme gezeigt werden und deren Architektur und Theologie erschlossen. Darüber hinaus werden, damit korrespondierend, mehrere Orte in Regensburg und Umgebung, von denen aus man die Domtürme besonders schön sieht, herausgehoben und gestaltet; als Einladung gleichsam, seinen eigenen Blick auf die Türme zu schärfen. Sie sind herzlich eingeladen, privat oder mit der Pfarrei diese hochinteressante Ausstellung zu besuchen. Für Vereine und Verbände, aber auch zum Kommunionausflug oder zum Ausflug für die Firmlinge eignet sich diese Ausstellung.
10. Am Sonntag, den 30. Juni, dem Fest der Domkirchweih, wird nach dem Pontifikalamt um den Dom herum gefeiert; am 20. Juli gibt es ein festliches Konzert. Schließlich haben wir ein Erinnerungs- und Gebetsbildchen drucken lassen, das Sie alle entweder heute schon in Händen halten können oder bald ausgeteilt bekommen. Legen Sie es bitte in Ihr eigenes Gotteslob. Es will Sie an das Domturmjubiläum erinnern. Mit dem darauf abgedruckten Gebet möchte ich schließen:
11. Gott Vater, in einer Welt voll Unsicherheiten bist du das Fundament, auf dem wir sicher stehen können. Dein Wort schenkt uns Halt in unserem Leben.
Gott Sohn, du bist Mensch geworden, einer von uns. Dein Leben, dein Sterben und dein Auferstehen geben uns Hoffnung in allen Lebenslagen.
Gott Heiliger Geist, deine Kraft macht uns stark, deine Weisheit gibt uns Einsicht, deine Erkenntnis lässt uns unterscheiden.
Auf die Fürsprache der Patrone unseres Domes, der heiligen Gottesmutter Maria und des heiligen Petrus, vertrauen wir und bitten: Lass unseren Dom ein Ort sein, in dem Menschen Zuversicht, Orientierung und Lebensmut finden können. Hilf uns, der Kirche von Regensburg, Zeugen deiner Liebe in dieser Welt zu sein und den Glauben an dich in die Zukunft zu tragen.
Amen.
Dazu segne Euch der dreifaltige Gott, der + Vater und der + Sohn und der Heilige + Geist.
Regensburg am Aschermittwoch, 06. März im Jahr des Herrn 2019.
+ Rudolf
Bischof von Regensburg