Impuls vom 01.05.2009
Diener eurer Freude
"Wir wollen nicht Herren sein über euren Glauben, sondern wir sind Diener eurer Freude" (2 Kor 1,24).
Predigt von Bischof em. Dr. Franz Kamphaus anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums in der Vesper am 1. März 2009 im Dom zu Limburg
I.
Käme heute wohl jemand auf den Gedanken diesen Vers aus dem 2. Korintherbrief als Leitwort für seinen Dienst als Priester zu wählen: "Wir wollen nicht Herren sein über euren Glauben, sondern wir sind Diener eurer Freude." Das war damals, vor 50 Jahren, im Februar 19959. Johannes XXIII. hatte einige Wochen zuvor das Zweite Vatikanische Konzil angekündigt: wie ein Fanfare zum Aufbruch in der Kirche. In dieser Situation empfing ich die Priesterweihe und wählte dieses Leitwort: "Diener eurer Freude." Jugendlicher Leichtsinn? Was ist heute? Mancher mag denken, das ist nun mal der Welten Lauf: Man geht mit großen Erwartungen an den Start und landet schließlich mit 77 in Filzpantoffeln im Fernsehsessel. Das nicht!
Aber 50 Jahre nach dem Aufbruch sieht die Situation der Kirche ganz anders aus. Ich muss das nicht lange beschreiben, jedem von uns sitzt es bleischwer in den Knochen, was Januar/Februar dieses Jahres die Kirche in die Schlagzeilen gebracht hat, Ausdruck einer noch viel tieferen Lähmung. "Diener eurer Freude?" Es ist zum Heulen, nicht zum Lachen. Ist das Wort von damals passé? Der Gretchenfrage bin ich in der Vorbereitung auf diesen Tag nicht ausgewichen: Wie hältst du’s heute damit, mit deinem Weg als Priester unter diesem Wort? Hat das Bestand? Sie werden denken: Das ist ein rhetorische Frage. Die können Sie ja schon von Amts wegen nur positiv beantworten. - Gretchenfragen kann man nicht von Amts wegen beantworten. Da geht’s ans Eingemachte.
II.
In den vergangenen Monaten habe ich mich eingehend mit dem Zweiten Korintherbrief befasst, aus dem das Primizwort genommen ist. Ein leidenschaftlicher Brief, mit Herzblut geschrieben. Da geht’s zur Sache, zur Sache des Glaubens, um Jesus Christus. Die Gemeinde droht abzudriften ins Fahrwasser schwärmerischer Charismatiker. Paulus erspart den Korinthern nichts, und sie ersparen ihm nichts. In diesem Streit schreibt er, nachdem sich die Wogen etwas geglättet haben: "Wir wollen nicht Herren über euren Glauben sein, sondern wir sind Diener eurer Freude." Wie kann man in schweren Zeiten der Freude dienen?
Freude kann man nicht machen, und man kann sie schon gar nicht anderen oder sich selbst vormachen. Sie ist nicht das Ergebnis unseres Planens und Wollens. Sie macht sich von selbst bemerkbar. Sie stellt sich ein, sie spricht für sich. Sie wächst aus der Gewissheit, dass Gottes Wege an unseren menschlichen Grenzen und an den Grenzen der Kirche nicht zu Ende sind. Sie kommt aus der Zuversicht, dass wir unter offenem Himmel gehen und stehen können – aufrecht. Wer aus diesem Glauben lebt und in Christus Stand gefunden hat, dient der Freude.
III.
"Diener eurer Freude" – das hat noch eine andere Voraussetzung. Sie ist hier im Vers ausdrücklich vorangestellt: "Wir wollen nicht Herren über euren Glauben sein .." – Herren sind einsam, freudlos. Freude wächst in Gemeinschaft. Ich erinnere mich noch gut, dass uns in den 60er Jahren der damalige Professor Ratzinger sehr nachdrücklich und wiederholt das Augustinuswort nahe gebracht hat, das unter seiner Mitwirkung in die Kirchenkonstitution eingegangen ist: "Wo mich schreckt, was ich für euch bin, da tröstet mich, was ich mit euch bin. Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ. Jenes bezeichnet das Amt, dieses die Gnade, jenes die Gefahr, dieses das Heil." Mit euch bin ich Christ – das ist Gnade, Heil. Ohne dem wird’s mit dem Amt gefährlich. Freude kommt aus der Weggemeinschaft des Glaubens. "Wir wollen nicht Herren sein über euren Glauben, sondern wir sind Diener eurer Freude."
Noch einmal die Gretchenfrage: Hat das Wort von damals heute noch Bestand? Und ob! Nicht als wäre für einen Jubiläumstag noch einmal alles so wie vor 50 Jahren, das Wort gilt in anderer Weise. Es ist heute nicht die Zeit der ersten Freude, sondern einer zweiten Freude. Sie verleugnet nicht das, was in der ersten Begeisterung aufgebrochen ist. Aber sie kennt den Schmerz enttäuschter Erwartungen, ist gelassener, geerdeter, angesichts der eigenen Grenzen und des eigenen Versagens entschiedener auf Gott gerichtet und auf die Weggemeinschaft der Mit-Glaubenden. "Wir wollen nicht Herren über euren Glauben sein, sondern Diener eurer Freude."