Impuls vom 30.09.2015
25 Jahre Deutsche Einheit
Erklärung
des Vorsitzenden des Rates der EKD,
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm,
und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Kardinal Reinhard Marx,
zum 25. Jahrestag der Wiederherstellung
der staatlichen Einheit Deutschlands
Große Dankbarkeit und bleibende Aufgaben
Nach 45 Jahren der Teilung wurde am 3. Oktober 1990 die staatliche Einheit Deutschlands wiederhergestellt. Ein Jahr zuvor hatte die friedliche Revolution der Bürgerinnen und Bürger der DDR die Mauer zu Fall gebracht, die Deutschland und Europa geteilt hatte. Die Kirchen waren in vielfältiger Weise beteiligt an diesem Zusammenwachsen: als Orte des Gebets, der Ermutigung und der Verständigung.
Wenn wir heute zurückblicken auf die 25 Jahre seit dem Tag der Wiedervereinigung, sind wir von Freude und Dankbarkeit erfüllt. Die inneren Prozesse des Zusammenwachsens sind trotz mancher Schwierigkeiten gelungen und Deutschland hat seine neue Rolle in einem friedlichen und geeinten Europa gefunden.
Trotz aller Unterschiede, die nach wie vor zwischen Ost und West bestehen: Der Transformationsprozess in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ist eine Erfolgsgeschichte. Die vergangenen 25 Jahre waren geprägt von einer stabilen Demokratie, von wirtschaftlichem Aufbau und sozialem Ausgleich. Die innerdeutschen Transferleistungen und der Aufbauwille waren ein beeindruckendes Zeichen des Zusammenhalts der Deutschen. Es gibt allerdings ohne Zweifel gewichtige und bleibende Aufgaben, die Ost und West in gleicher Weise betreffen. Sie werden etwa markiert durch die Fragen nach der Abwanderung der Jugend, nach der dauerhaft signifikant unterschiedlichen Arbeitslosenquote in Ost und West oder nach der stabilen Verankerung der demokratischen Institutionen. Der Rückblick auf das in 25 Jahren Erreichte lässt uns aber darauf vertrauen, dass diese Aufgaben bewältigt werden.
Das vereinte Deutschland hat sich bewährt als eine Friedensmacht, die in Europa und weltweit in vielfältige Institutionen und Aufgaben eingebunden ist. Die größere Bedeutung Deutschlands geht aber auch mit einer größeren Verantwortung einher. Diese Verantwortung richtet sich heute zum Beispiel auf die Frage, wie wir mit den vielen geflüchteten Menschen umgehen, die in unser Land kommen. Deutschland wird sich weiter wandeln. Die Frage nach der inneren Einheit unseres Landes betrifft nicht mehr nur das Zusammenwachsen von Ost und West, sie betrifft heute vor allem das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Prägungen. Wie können wir ein gutes Miteinander wahren und neu finden, getragen vom Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen und der besonderen Achtung für die Verfolgten und Schutzbedürftigen? Als Kirchen sehen wir unsere im Evangelium von Jesus Christus gegründete Aufgabe darin, Lebensräume von Frieden und Förderung, von Verständigung und Versöhnung bereitzustellen und so zu einem gelingenden Zusammenleben beizutragen.
Dass Zusammenleben auch im "gemeinsamen Haus Europa" gelingt, ist unverzichtbarer Bestandteil der Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland. Daher bleibt die Unterstützung für das europäische Versöhnungs- und Einigungsprojekt eine Verpflichtung und ein Herzensanliegen des vereinten Deutschlands in der Mitte des Kontinents. Wir freuen uns und sind dankbar, dass wir Deutschen heute als wiedervereinigtes Land in Frieden, Freiheit und Freundschaft mit unseren europäischen Nachbarn leben. Mit diesem Schatz müssen wir verantwortungsvoll umgehen. Der Erfolg der Deutschen Einheit ermutigt und verpflichtet uns, dieses Miteinander auch künftig zu gestalten, in Deutschland und in Europa. Und wir wissen uns auch als Christen in die Pflicht genommen, um Gottes Segen zu bitten für dieses Land und die Gemeinschaft der Völker Europas.