Impuls vom 26.04.2015

Geistliche Berufe

Hirtenwort
zum Weltgebetstag um Geistliche Berufe 2015
von Bischof Rudolf Voderholzer

Liebe Kinder,
liebe jugendliche und erwachsene Schwes-tern und Brüder im Herrn!

Der Hirte – ein Bild voll reicher Symbolik
1. Gleich zweimal sagt Jesus heute im Sonntagsevangelium: "Ich bin der gute Hir-te" (Joh 10,11 und 10,14). Deshalb bege-hen wir heute auch den "Sonntag vom Gu-ten Hirten".
2. Das Bild vom Hirten stammt aus der ori-entalischen Welt, ist aber auch uns Men-schen in Bayern nicht fremd. Der Hirte geht seiner Herde voran, weiß um die saftigen Weiden, kennt die Wasserstellen, versteht es, die Zeichen am Himmel als Wettervor-hersage zu deuten, und vor allem: Er kennt die Seinen mit Namen, weil er sie lieb hat.
3. Ursprünglich ist "Hirte" in der Heiligen Schrift ein Bildwort für den König. Schon im Alten Testament wird es freilich auch auf Gott angewendet. Während nämlich die königlichen Hirten immer wieder versagen und mehr auf die Wolle und das Fleisch als auf das Wohlergehen der ihnen Anvertrau-ten bedacht sind, weiß der Beter von Psalm 23: "Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen."

Christus – der Gute Hirte
4. Die Sehnsucht nach dem wahren und guten Hirten erfüllt sich schließlich in Jesus Christus. In ihm ist die Hirtensorge Gottes Fleisch geworden. Jesus, der Gute Hirte, gesandt die Kranken zu heilen, geht dem verlorenen Schaf nach, bis er es findet. Das gesamte Heilswerk Jesu kann man mit dem Bildwort des Hirten beschreiben: Er lässt die 99 Gerechten zurück, um das eine Ver-lorene zu suchen und zu finden- die Herr-lichkeit des Himmels lässt er zurück, um die verlorene Menschheit in die sicheren Arme des Vaters zu führen.
5. Dabei kehrt er freilich die Rollen noch einmal um. Jesus, der Gute Hirte, macht nicht andere zu Schafen (wie man das Bildwort fälschlich deuten könnte), sondern der Herr selbst lässt sich wie ein Lamm zum Schlachten führen, nimmt als das "Lamm Gottes" die Schuld der Welt auf sich und trägt sie ans Kreuz. "Das Lamm erlöste die Schafe" – heißt es in der Ostersequenz.

Die Berufung aller Getauften und Ge-firmten zum Hirtendienst
6. Durch die Zeiten der Kirchengeschichte übt Jesus, der Gute Hirte, seinen Hirten-dienst aus durch menschliche Hirten, die er zu allen Zeiten beruft und denen er Anteil gibt an seinem Hirtendienst.
Zunächst einmal hat jeder getaufte und ge-firmte Christ auch Anteil am Hirtenamt Christi. Wer getauft wird, wird mit dem Chrisam gesalbt zum Priester, Propheten und König, d.h. auch zum Hirten.
Zum Hirtendienst für andere ist jeder Vater und jede Mutter bestellt, die ihre Kinder nicht nur auf die Weide eines gedeckten Tisches, sondern verantwortungsvoll ins Leben führen und sie teilhaben lassen an ihrem eigenen Glauben und Beten.
7. Zum Hirtendienst für andere sind die Ju-gendgruppenleiterinnen und -leiter bestellt, die Verantwortung für andere übernehmen und durch ihr Engagement, ihr Beispiel und ihr Glaubenszeugnis anderen Jugendlichen ein Vorbild im Leben und im Glauben ge-ben.
Hirtendienst für andere üben alle aus, die sich in irgendeiner Weise in einem Sozial-projekt engagieren oder in der Schule oder einer anderen Bildungseinrichtung Zeit, Herzblut und Leidenschaft investieren, um anderen etwas Wichtiges mit auf den Weg zu geben – um nur ein paar Beispiele anzu-führen, wie und wo im Alltag des Lebens sich ein Hirtendienst vollzieht.
8. Hirtendienst für andere üben – sogar hauptamtlich – Pastoral- und Gemeindere-ferenten und -referentinnen sowie die Reli-gionslehrerinnen und -lehrer und Kateche-tinnen und Katecheten aus, nicht zuletzt auch die Kirchenmusiker, indem sie den Glauben lehren, erklären und mit Leben erfüllen.
9. Wir dürfen das an diesem Sonntag des Guten Hirten auch in Erinnerung rufen: Alle Getauften und Gefirmten haben auf ihre Weise Anteil am Hirtendienst und dürfen ihn in der Kraft des Geistes ausüben. So wollen wir für die Kirche beten, dass diese Dienste mit Freude angenommen und aus-geübt werden, zur Ehre Gottes und zum Heil für die Menschen.

Der besondere Hirtendienst in der Kirche
10. Darüber hinaus – dies ist gewiss das zentrale Gebetsanliegen, das sich mit dem Sonntag vom Guten Hirten verbindet – bitten wir heute den Herrn der Kirche auch und gerade um geistliche Berufungen. Er möge junge Frauen und Männer in seine Nachfolge in einer Ordensgemeinschaft und junge Männer in die Nachfolge im priesterlichen Dienst rufen. Diese treten denn auch in den "pastoralen" Dienst, den Hirtendienst im engeren Sinn.
11. Der Priester am Altar und in den vielen Bereichen seiner pastoralen Arbeit reprä-sentiert Christus als den Hirten, spricht und handelt in der Person Christi, des Hauptes seiner Kirche.
12. "Die Ernte ist groß" (Lk 10,2) sagt Jesus im Evangelium einmal im Blick auf die Vielen, die zu ihm kommen. Kardinal Marx hat bei meiner Bischofsweihe dazu erläuternd gesagt – Sie erinnern sich vielleicht: Die Ernte ist groß, das ist nicht ein Ausruf des Erschreckens oder der Resignation- wie schrecklich, die Ernte ist so groß. Nein, das ist ein Jubelruf: Wunderbar, die Ernte ist groß! Das heißt doch: Es gibt so viele Menschen, die auf dem Grund ihrer Seele darauf warten, dass ihnen jemand die Fro-he Botschaft verkündet, dass ihnen jemand begegnet, der ihnen die Liebe Gottes auch ganz persönlich nahe bringt. Die Ernte ist groß, das heißt: Wer sich in den Erntedienst der Kirche stellt, der wird nicht ein Saison-Arbeiter für ein paar Wochen- wer sich in den Erntedienst der Kirche stellt, der bekommt eine Arbeitsgarantie bis zum Lebensende.

Das Gebet um Geistliche Berufungen
13. Damit es der Kirche nicht an solchen "Ernte-Arbeitern" mangelt, beten in unserem Bistum viele Frauen und Männer um Berufungen und für Berufe der Kirche. Knapp 45.000 Beterinnen und Beter gehören der Gebetsgemeinschaft für Berufe der Kirche an. Ich danke von Herzen allen, die dieses Anliegen hochhalten, und im be-ständigen Gebet den Auftrag des Herrn erfüllen: "Bittet den Herrn der Ernte, Arbei-ter für seine Ernte auszusenden!" (Lk 10,2).

Bitte an die Jugend
14. An dieser Stelle möchte ich mich nun besonders an meine jugendlichen Schwestern und Brüder wenden: Ich weiß, dass gerade Ihr die Kirche oft mit kritischen Augen seht. Aber die Tatsache, dass Ihr heute da seid, zeigt: Sie ist Euch wichtig. Und: Christus ist Euch wichtig. Und so sage ich Euch: Die Kirche braucht gerade Eure kritischen Augen. Wenn Ihr der Meinung seid: "Die Kirche muss sich ändern!", dann helft mir und der übrigen Kirche, die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten. Wenn Ihr der Meinung seid: "Ich fühle mich zu Hause in dieser Kirche!", dann helft mir und der übrigen Kirche, dieses zu Hause zu bewahren. Zu einer Herde gehört immer beides: die Offenheit für neue Herausforderungen und die bleibende Treue zu ihrem Hirten:
- Ich denke hier z.B. an die Aktion für Flüchtlinge, zu der Euch der Bund der Katholischen Jugend aufgerufen hat.
- Ich denke an neue Gebetsformen, wie etwa das Night-Fever, das in Regensburg und auch in anderen Orten des Bistums Regensburg regelmäßig gefeiert wird.
- Ich denke auch an die Jugendwallfahrten im Bistum und
- nicht zuletzt an die Weltjugendtreffen. Nächstes Jahr werden sich wieder Hunderttausende mit Papst Franziskus treffen, und zwar ganz in unserer Nähe, im polnischen Krakau. Ich lade herzlich dazu ein!
15. Entscheidend ist also nicht die Frage: "Passt mir die Kirche, wie sie ist, oder nicht?" Entscheidend ist die Frage: "Wie will ich die Liebe Christi zu mir beantworten?" Deshalb entdeckt die Liebe, die Christus, der Gute Hirte, zu Euch hat, und beantwortet sie! Denn er ruft Euch! Er ruft jeden und jede von uns. Er liebt jeden und jede von uns. Und wenn Ihr entdecken solltet: "Ja, ich will ihm ganz nahe sein. Ja, ich will mein Leben bewusst in seiner Nähe leben!", dann habt den Mut, Euch zu einem Leben für Gott und die Menschen zu entscheiden! Bedenkt, was die selige Mutter Teresa einmal so ins Gebet gebracht hat: "Herr, erneuere Deine Kirche, und fange bei mir an!"
16. Liebe jungen Christen! Vielleicht habt Ihr bereits positive Vorbilder erlebt: einen guten Pfarrer, eine glaubwürdige Ordens-schwester, eine begeisterte pastorale Mit-arbeiterin, einen vorbildlichen Lehrer. Sprecht sie an, fragt sie nach ihrer Beru-fung. Vielleicht habt Ihr auch schlechte Vorbilder erlebt. Dann bedenkt: Wir alle sind in der Gefahr, zum verlorenen Schaf zu werden. Der eine gute Hirte aber, der auch den verlorenen Schafen nachgeht, ist Christus. Die Entscheidung, wie Ihr Gottes Ruf beantwortet, wird nicht nur Euer Leben betreffen. Sie wird auch eine Entscheidung sein für die Kirche und für alle Menschen, mit denen ihr lebt.
17. Es freut mich außerordentlich, dass gerade im Bistum Regensburg eine ganze Reihe von Ordensgemeinschaften mit vielen jungen Mitgliedern leben und wirken, die ihre Orte prägen und in die Umgebung ausstrahlen.

Bitte an alle Gläubigen
18. Damit junge Menschen die Liebe Christi entdecken und auch den Mut fassen können, auf SEINEN Ruf eine deutliche Ant-wort zu geben, braucht es ein gutes Umfeld, einen aufgeschlossenen Freundes-kreis, lebendige Pfarreien und Jugendver-bände, vor allem aber Familien die ihren Glauben im Alltag leben.
19. So bitte ich Sie alle: Machen Sie das Gebet um Berufungen zu einem Teil ihres Alltags und bereiten Sie damit in unserem Land wieder einen Boden, auf dem Beru-fungen wachsen können. Suchen Sie über die althergebrachten Formen des Gebets hinaus neue Formen und Wege! Und wenn es nur das Entzünden einer Kerze in die-sem Anliegen ist, bleibt das Gebet um Be-rufung doch lebendig und wird Frucht brin-gen.
Segen
20. Damit der Same des Gebets Frucht bringe und viele Männer und Frauen auf die Liebe des Guten Hirten mit ihrer bleibenden Liebe antworten, gebe uns seinen Segen der allmächtige Gott, der + Vater, der + Sohn und der + Heilige Geist.

Regensburg, am Sonntag des Guten Hirten im Jahr des Heils 2015

+ Rudolf
Bischof von Regensburg