Impuls vom 28.03.2015

An einen demütigen Gott gewöhnt man sich nie

Predigt von Papst Franziskus am Palmsonntag (29. März 2015)


Im Mittelpunkt dieser Feier, die so freudig erscheint, steht das Wort, das wir im Hymnus aus dem Philipperbrief gehört haben: »Er erniedrigte sich« (Phil 2,8). Die Erniedrigung Jesu.

Dieses Wort verrät uns den Stil Gottes und folglich das, was der Stil des Christen sein muss: die Demut. Ein Stil, der nie aufhört, uns zu überraschen und in Krise zu versetzen: An einen demütigen Gott gewöhnt man sich nie!

Sich zu erniedrigen ist vor allem der Stil Gottes: Gott erniedrigt sich, um mit seinem Volk mitzugehen, um dessen Untreue zu ertragen. Das wird deutlich, wenn man die Geschichte des Exodus liest: Welch eine Demütigung für den Herrn, all dieses Murren, diese Klagen anzuhören! Sie richteten sich gegen Mose, doch letztlich waren sie gegen ihn, ihren Vater, gerichtet, der sie aus der Versklavung herausgeführt hatte und sie auf dem Weg durch die Wüste führte bis zum Land der Freiheit.

In dieser heiligen Woche, der Karwoche, die uns zum Osterfest führt, werden wir diesen Weg der Erniedrigung Jesu gehen. Und nur so wird die Woche auch für uns "heilig" sein!

Wir werden die Verachtung der Führer seines Volkes spüren und ihre Täuschungen, um ihn zu Fall zu bringen. Wir werden den Verrat des Judas, eines der Zwölf, miterleben, der ihn für dreißig Silberlinge verkauft. Wir werden sehen, wie der Herr gefangengenommen und abgeführt wird wie ein Übeltäter- wie er von den Jüngern verlassen, vor den Hohen Rat geschleppt, zum Tod verurteilt, geschlagen und geschmäht wird. Wir werden hören, dass Petrus, der "Fels" der Jünger, ihn dreimal verleugnet. Wir werden das Geschrei der von den Führern aufgewiegelten Menge hören, die fordert, dass Barabbas befreit und Jesus gekreuzigt wird. Wir werden ihn von den Soldaten verspottet, mit einem Purpurmantel bekleidet und mit Dornen gekrönt sehen. Und dann auf der "Via dolorosa" und unter dem Kreuz werden wir die Beleidigungen der Leute und der Führer hören, die ihn als König und Sohn Gottes verlachen.

Das ist der Weg Gottes, der Weg der Demut. Es ist der Weg Jesu schlechthin, einen anderen gibt es nicht. Und es gibt keine Demut ohne Demütigung und Erniedrigung.

Indem der Sohn Gottes diesen Weg bis zum Ende gegangen ist, wurde er "wie ein Sklave" (Phil 2,7). In der Tat, Demut bedeutet auch Dienst, bedeutet, Gott Raum zu lassen, indem man sich entäußert, innerlich "leer wird", wie die Schrift sagt (V. 7). Dieses "leer werden" ist die größte Erniedrigung.

Es gibt einen Weg, der dem Weg Christi entgegengesetzt ist: die Weltlichkeit. Die Weltlichkeit bietet uns den Weg der Eitelkeit, des Stolzes, des Erfolgs… Das ist der andere Weg. Der Böse hat ihn auch Jesus vorgeschlagen während der vierzig Tage in der Wüste. Doch Jesus hat ihn ohne Zögern abgelehnt. Und mit ihm, allein mit seiner Gnade, mit seiner Hilfe können auch wir diese Versuchung der Eitelkeit, der Weltlichkeit überwinden, nicht nur bei den großen Gelegenheiten, sondern in den gewöhnlichen Umständen des Lebens.

Dabei hilft und stärkt uns das Beispiel vieler Männer und Frauen, die in der Stille und im Verborgenen jeden Tag auf sich selbst verzichten, um den anderen zu dienen: einem kranken Angehörigen, einem einsamen Alten, einem Behinderten, einem Obdachlosen…

Denken wir auch an die Demütigung derer, die wegen ihres Verhaltens in der Treue zum Evangelium diskriminiert werden und persönlich dafür bezahlen. Und denken wir an unsere Brüder und Schwestern, die verfolgt werden, weil sie Christen sind, die Märtyrer von heute – so viele sind es! Sie verleugnen Jesus nicht und ertragen würdevoll Beleidigungen und Schmähungen. Sie folgen ihm auf seinem Weg. Wir können wirklich von einer "Wolke von Zeugen" sprechen (Hebr 12,1) – die Märtyrer von heute.

Mit ihnen wollen in dieser Woche auch wir uns entschlossen auf diesen Weg der Demut begeben, mit ganz viel Liebe zu ihm, unserem Herrn und Retter. Die Liebe wird uns führen und uns Kraft verleihen. Und wo er ist, dort werden auch wir sein (vgl. Joh 12,26).